Fakten vs. Verständnis Spannungsfelder in der Technologie-Kommunikation

Spannungsfelder in der Technologie-Kommunikation

Fakten vs. Verständnis

tags
  • # insights
meta
  • Länge
    1.475 wörter
  • Lesedauer
    4 min 55 sek
  • Create
    Engineer
    Advise
    60%
    10%
    40%
t.o.c.
Verständlich, zielgruppengerecht und nutzenorientiert muss Technologie sich im Kampf um die Aufmerksamkeit präsentieren. Folgende Beispiele zeigen mögliche Formen der Vermittlung.
Man muss nicht beschreiben, was eine Hose ist; man muss nicht erklären, wie man Joghurt isst; und im Regelfall muss man nicht definieren, wie man ein Buch aufschlägt.

Viele Branchen genießen den großen Vorteil, in der (kommerziellen) Kommunikation ein allgemeines Verständnis grundsätzlicher Sachverhalte voraussetzen zu können. Die Technologie als solches hat diese Grenze mit ihren oft hochkomplexen Produkten und Innovationen dagegen längst überschritten. Es ist zwar Aufgabe des Technikers, das zu bauen, was dem Konsumenten nutzt; doch es ist nicht Aufgabe des Konsumenten, technische Zusammenhänge, Entwicklungsprobleme oder alternative Lösungsmöglichkeiten zu verstehen. Wäre es seine Aufgabe, wäre er Techniker.

Grundverschiedene Kompetenzen erfordern dementsprechend grundverschiedene Ansprachen. Und die ist Aufgabe der kommunikativen Umsetzung.

Kommunikation zwischen „sein“ und „können“


Ein Spezifikum der Kommunikation im Bereich von Technologie ist der dramatische, wenn auch wenig überraschende Spalt zwischen den vorherrschenden Wissensständen. Wer Technologie schafft, sieht deren Eigenschaften, Innovationen und Potenzial. Wer Technologie applizieren soll, will Verbesserung, Effizienz und persönlichen Nutzen sehen. Nur weil erster implizit genau das meint, was zweiter braucht, heißt das noch lange nicht, dass zweiter versteht, was erster ihm nützt.

Als vermittelnde Instanz tritt die Kommunikation ein, die dem potenziellen Interesse des Empfängers Inhalte liefert, die

  • für ihn relevant sind
  • für ihn verständlich sind und
  • seine (bewussten oder unbewussten) Bedürfnisse optimal befriedigt.


Eine so abstrakte Zielsetzung betrifft in ihren operativen Maßnahmen grafische und inhaltliche Aspekte sowie psychologische und (neuro-)biologische Komponenten.

Simplifikation von Komplexität


Es mag nett sein, dass bei Produkt A der Einbau von Komponente B Schnittstelle C obsolet macht und die Stabilität von D dadurch erhöht wird. Für den Endverbraucher, der zeitliche und kognitive Ressourcen oft nicht für das Verständnis derartiger Zusammenhänge aufbringen will oder kann, ist das jedoch irrelevant. Was zählt, ist nur das Endergebnis – formuliert als individueller Nutzengewinn.

Grafische Elemente müssen also durch entsprechend simple Darstellungen so vereinfacht werden, dass der Rezipient sie auf den ersten Blick versteht – oder zumindest der Überzeugung ist, sie bei Bedarf verstehen zu können. Im einfachsten Fall genügen Piktogramme und stereotype Umrisszeichnungen, doch auch komplexe Sachverhalte gewinnen durch entsprechende Methoden an Verständlichkeit und Reiz. Kreisläufe, Zusammenhänge und Wirkungsweisen lassen sich durch X-Ray- und Wireframe-Konstruktionen veranschaulichen und bieten so dem Rezipienten die Möglichkeit, durch die Aufnahme einzelner Impulse ein verständliches Gesamtkonzept zu erkennen.

Subjektive Ansprache durch relative Objektivität


Ein gezielter Wechsel zwischen Objektivität und Subjektivität schafft nicht nur Identifikationsmöglichkeiten, sondern vermittelt empfängerorientierte Kompetenz.

Vorbildlich wird diese Thematik im Gaming umgesetzt. Die vermeintlich individuelle Kreation eines persönlichen Avatars gibt dem Spieler das Gefühl, sich mit all seinen Charakteristika, Vorzügen und Makeln in der virtuellen Welt bewegen zu können. Dass die Auswahl der Avatarmerkmale in den meisten Fällen stark begrenzt ist, wird dabei zur Nebensache.
In der Technologie-Kommunikation ist die Individualisierung insbesondere durch den Einsatz schematischer Darstellungen applizierbar. Ein Objekt wird auf wesentliche Eigenschaften reduziert, die es aufzuweisen hat, um als Objekt dieser Kategorie zu gelten. Es gerät bewusst in den Hintergrund, um die zu kommunizierende Technologie und den Nutzen darüber hervorzustreichen.

Bei der Darstellung eines Hauses geht es demnach nicht um die Anzahl der Fenster, die Position der Haustür oder die Quadratmeteranzahl des Wohnzimmers – es geht um Wände und ein Dach.

Colorcoding (oder: konditioniert auf Ampeln)


Was im Kindesalter als essentielle Grundlage zur sicheren Bewältigung des Schulweges begann, beeinflusst mittlerweile das tägliche Leben; rot: stehen - grün: gehen. Rot als Inkarnation des Bösen, des Negativen, des zu Vermeidenden erleichtert so auch in zahlreichen Situationen die intuitive Orientierung bei der Bewertung eines Aspekts.

Diese - nennen wir sie - “Kolorierungskonditionierung” lässt sich in der Kommunikation als nonverbales, sogar nontextuales Hilfsmittel einsetzen, um dem Rezipienten Missstände aufzuzeigen und im selben Atemzug Optimierungsmöglichkeiten oder Lösungen anzubieten. Neben kulturell unterschiedlichen Farbkonditionierungen, die auf Empirie beruhen, gilt es also auch, die angelernten Bedeutungen der Palette entsprechend zu nutzen. Zunehmend haben sich Branchen- und Produktfarben entwickelt, die einem Objekt schon allein durch die Kolorierung bestimmte Eigenschaften zuschreiben. Nicht umsonst heißt die “graue Theorie” wie sie heißt; hat sich doch Grau als technischer, kompetenter und theorievermittelnder Farbton etabliert. Blau dagegen steht für Unbegrenztheit oder Kühle, Schwarz für Eleganz, Rot für Luxus oder Intensität, Grün für Natürlichkeit. Jede Farbe ruft eine bestimmte Assoziation hervor - welche, ist dabei jedoch nicht immer eindeutig. Es gilt also abzuschätzen.

Size does matter


Die Suche nach dem richtigen Präsentationsmedium für Informationen gestaltet sich durch die Fülle an Optionen oftmals schwierig. Für die Kommunikation komplexer Technologiethemen bieten sich aufgrund ihres Formats Plakate an. Insbesondere die visuelle Darstellung erklärungsbedürftiger Zusammenhänge kann durch großflächige Bilder optimal aufbereitet und ein schnelles Verständnis beim Rezipienten generiert werden. Auch wenn eine genaue Beschäftigung mit der Darstellung letztendlich wünschenswert und unverzichtbar ist, so bietet das Plakat dennoch Informationshäppchen, die den Interessenten je nach Wissensstand genau dort abholen, wo er sich mental gerade befindet.

Bei der Aufbereitung eines Plakats zeigen sich erneut die zuvor angesprochenen Aspekte als Richtlinien: Plakate gewinnen durch Reduktion an Verständlichkeit; Farben müssen intuitiv Aussagen vermitteln; Motive müssen vereinfacht werden. Schlüsselreize bilden demnach das Grundkonstrukt eines Plakats. Zudem muss auf inhaltlicher Ebene jedes einzelne geschriebene Wort wieder und wieder auf seine Unverzichtbarkeit geprüft werden. Die Vermittlung von Komplexität und Kompetenz geschieht durch möglichst hohe Simplizität. Technologie-Kommunikation passiert plakativ - laut Definition also “einprägsam”. Eine Broschüre kann diesen Anforderungen nur selten gerecht werden; denn Broschüren werden gelesen, Plakate werden geschaut.

… etwas für’s Auge


In einer zunehmend informations- und reizüberlasteten Umwelt wird Text immer mehr auf seine bloße Präsenz reduziert. Er gehört der Vollständigkeit halber zwar dazu, aber gelesen wird er ja doch nicht. Als weitaus wichtiger wird der Einsatz von Bildern angesehen - und das zurecht. Grafische Inhalte sind leichter rezipierbar und weniger erklärungsbedürftig als Text. Auch Verhaltensmessungen bestätigen, dass der Blick zuerst stets auf die bildlichen Teile einer Kommunikationskonzeption fällt und erst dann - bei etwaigem Interesse - auf den Text. Bild und Text verzeichnen meist sogar dieselbe Betrachtungsdauer seitens der Rezipienten - auch wenn nur ein einziges Bild verwendet wird, dafür aber absatzweise Text.

Beim Einsatz von Bildern sollte demnach darauf geachtet werden, dass sie selbsterklärend sind und nicht erst durch den nachfolgenden Text Verständlichkeit erlangen. Impulsstarke Bilder, die eindeutige Assoziationen hervorrufen, eignen sich besonders gut, um die Aufmerksamkeit des Lesers auf sich zu ziehen.

„Checklisting“ zur Kompetenzvermittlung


Alles erledigt, alles da. Alle Aufgaben sind erfüllt, jedes einzelne Häkchen sitzt.
Checklisten haben ihren Weltruhm der omnipräsenten Einsatzfähigkeit in allen Lebenslagen zu verdanken. Von Einkaufs- über To-Do- bis hin zu Anwesenheitslisten vermitteln Checklisten seit jeher zurecht Zuverlässigkeit und Vollständigkeit.
In leicht abgewandelter Form lassen sie sich auch für die Kommunikation von Technologie verwenden, um Kompetenz und Glaubwürdigkeit effizient und visuell darzustellen. Die relevantesten, informativsten oder innovativsten Aspekte einer technologischen Begebenheit können in Checkboxes oder schlicht als Kategorien angeführt werden, um dem Rezipienten auf einen Blick zu zeigen, dass das Gerät alles hat, was er braucht - oder sogar noch mehr.

Schummeln erlaubt


Fakten, Fakten, Fakten… sind nicht immer die beste Wahl. Manchmal ist es zielführender, zum Wohl des Rezipienten die Wahrheit ein wenig zurechtzubiegen. Was unternehmerisch und ethisch falsch klingt, kann sich doch als richtige Vorgehensweise herausstellen.

Ein Beispiel: eine App stellt den aktuellen und bisherigen Stromverbrauch eines Users anhand einer Verlaufskurve dar. Dass diese Kurve zwar ihre Hochs und Tiefs hat - je nach Verbrauch eben entsprechende Ausprägungen - dabei jedoch nicht zittrig verläuft, erleichtert dem Kunden die Informationsaufnahme. Dass diese Kurve dafür jedoch “verfälscht” werden musste, weiß er nicht. Wären die tatsächlichen Ausschläge des Stromverbrauchs in jeder winzigkleinen Detailtreue angeführt, würde das nicht nur der Rezipierbarkeit, sondern auch der Ästhetik deutlichen Abbruch tun. Schummeln muss also erlaubt sein - um des Nutzers Willen. Und außerdem: der Button “show high res[olution]” bringt die tatsächliche Wahrheit dann gleich wieder in greifbare Nähe.

Technologie als solche ist ein komplexes Thema: sie erfordert exzellent ausgebildete Fachkräfte, spezifisches Know-How und ein hohes Verständnis für Zusammenhänge und Ursachen. Entsprechend wenig massentauglich ist die Kommunikation darüber. Nun ja, eigentlich.
Es sei denn, man kommuniziert richtig.

Too long; didn't read


In der Kommunikation kommt es nicht darauf an, was ein Unternehmen sagt, sondern was ein Kunde versteht. Entsprechend schwierig ist es daher für Technologiefirmen, ihre Errungenschaften, Innovationspotenziale und Verkaufsargumente adäquat an Konsumenten oder Rezipienten zu vermitteln. Ein legitimer Mangel an spezifischem Know-How erfordert das Befolgen einiger Regeln, die dem Gegenüber das Verständnis erleichtern. So gilt Simplifikation in allen Bereichen als grundlegendes Credo, außerdem können Farben, Kategorisierungen und Größe die Klarsicht fördern. Wer dann noch an der richtigen Stelle ein wenig schummelt, bringt Technologiekommunikation immer näher zur Massentauglichkeit.

Weiterführende Artikel

Lebensretter

Dräger Safety

Der Job: Leben retten.
Launchkampagne zur Markteinführung der Brandfluchthauben in Österreich.
[ shooting | create | print | campaign ]

Exploring casaK

R&D Project | TU Wien

Location Promotion im Highquality-Segment hat vielfältige Einsatzbereiche: Veranstaltungsplanung, Architectural Walkthroughs, Präsentation als Film- & Eventlocation, interaktive Leitsysteme, Interactive Interior Design Systems.
[ r&d | 3D information system | 3D visualisation ]

Vertical Engineering

neovoltaic AG

Von der Steuerung der Leistungselektronik über Client/Server Interfacing bis zur Serverlandschaft und den Monitoring Apps:
Vertical Engineering at work..
[ technology | advise | software engineering | backend | frontend | app | UX | online ]

Vertrau mir!

Die Glaubwürdigkeit und das Web

On the internet, nobody knows you're a dog. Im Web ist Täuschen und Tarnen eine Paradedisziplin, die Usern die Einschätzung erschwert, welche Quelle wofür wie verlässlich ist. Wie zeigt sich Glaubwürdigkeit im Web?